Baby Sign Language, Baby Signs, Babygebärden oder auch Baby Zeichensprache sind Begriffe, die seit einigen Jahren in immer mehr Elternbubbles kursieren. Online gibt es Kurse, Videos und Erklärtexte, die Eltern an das Thema Kommunikation über Handzeichen heranführen sollen. Da das Phänomen relativ neu ist, lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Sollte man dem Kind Gebärden beibringen oder ist das überflüssig? Schadet man der Lautsprachentwicklung dadurch oder fördert man diese? In diesem Artikel wollen wir auf einige dieser Punkte eingehen.

Was ist eigentlich Gebärdensprache?

Gebärdensprachen sind Sprachen, die hauptsächlich visuell wahrnehmbar sind. Das bedeutet, dass sie aus Gebärden (Hand- oder Körpergesten, die Wörter darstellen) und Gesichtsmimik bestehen und auf Laute verzichten. Somit sind Gebärdensprachen oft die präferierte Art der Kommunikation von gehörlosen oder schwerhörigen Personen.

Gebärdensprachen haben sich ähnlich wie Lautsprachen (z.B. Deutsch, Hindi, Suaheli) unterschiedlich entwickelt und weisen damit nationale aber auch regionale Unterschiede auf. In Deutschland beispielsweise ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS) vorherrschend, in den USA und Kanada ist dies die American Sign Language (ASL). Italiens Gebärdensprache heißt beispielsweise Lingua dei Segni Italiana (LIS). Selbstverständlich gibt es, wie auch bei Lautsprachen, regionale Unterschiede in den Gebärden.

Die Gallaudet University in Washington, D.C. war die erste Universität, die für gehörlose und schwerhörige Personen ohne Sprachbarrieren zugänglich war. Hier kann unter anderem Kunst, Biologie, Chemie studiert werden, da sie mit ASL und geschriebenem Englisch bilingual ist. Trotzdem, dass Gebärdensprachen immer mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung erhalten, ist der Zugang zu vielen Ausbildungen, Studiengängen, Berufen, Events und Freizeitaktivitäten für gehörlose oder schwerhörige Menschen begrenzt.

Sind Baby Signs eine Gebärdensprache?

Kurzversion: Nein. Die Baby Signs zählen nicht zu den Gebärdensprachen, da hier keine komplexen Satzstrukturen oder weiterführende Themen vermittelt werden, sondern lediglich einzelne Gebärden. Das Ziel der Baby Signs ist nicht, das Kind bilingual zu erziehen, sondern die Phase, in der die Kinder noch nicht mit Lauten sprechen können, mit Gesten zu überbrücken, um Kommunikation dennoch zu ermöglichen.

Beispielsweise wird dem Kind die Gebärde für Milch beigebracht, aber der ganze Satz „Möchtest Du Milch trinken?“ wird nicht vermittelt. Auch unterhalten sich Eltern mit ihren Kindern selten über das Wetter und die Uhrzeit, sondern begrenzen das Vermitteln von Gebärden auf Alltagsbegriffe wie Hunger, Essen, müde, spielen, kalt, warm. Das Nutzen von Gebärden von Seiten der Eltern endet meist, sobald das Kind sich mit Lautsprache verständigen kann.

Außerdem werden bei den Gebärden oft Gebärden verschiedener Gebärdensprachen verwendet, Gebärden abgewandelt oder neue erfunden. Möchte man das Kind somit bilingual in beispielsweise Deutsch und der Deutschen Gebärdensprache erziehen, ohne die zweitere zu beherrschen, sollte man sich an professionelle Institute wenden oder Unterricht von gehörlosen Personen in Anspruch nehmen.

Welche Vorteile bieten Baby Signs?

Erleichterung der Kommunikation

Eine der größten Herausforderungen für Eltern und Baby ist die Kommunikation untereinander. Von klein auf sind Babys in der Lage, ihre Bedürfnisse durch Äußerungen (Schreie, Rufe, Laute) und Bewegungen nach außen zu kommunizieren. Allerdings fällt es Eltern oft schwer, diese Signale (richtig) zu interpretieren. Durch das Nutzen von Baby Sign Language kann die Kommunikation vereinfacht werden. Das Baby kann bei Hunger oder Durst diese nach außen kommunizieren, es kann auch mitteilen, wenn es lieber Milch als Wasser möchte und somit den Eltern und sich selbst viel Frust ersparen.

Gebärden werden früher als gesprochene Worte beherrscht

Studien haben gezeigt, dass Babys vor ihren ersten gesprochenen Worten bereits einige gebärdete Worte beherrschen. Dies liegt daran, dass sich die motorischen Bewegungsabläufe schneller entwickeln, als die orale Sprache. Somit ist es Eltern deutlich früher möglich, mit ihren Babys in einen (wenn auch begrenzten) Austausch zu treten und so das Kind zu verstehen. Bei einer kleinen Stichprobe wurde beobachtet, dass Kinder mit einem Durchschnittsalter von 8,5 Monaten (das früheste 5,5 Monate) in der Lage waren, ihr erste erkennbares Wort zu gebärden. Ganz im Gegensatz zu einigen Mythen verzögert sich der Lautspracherwerb durch das Erlernen von Gebärden nicht.

Sind Baby Signs sinnvoll?

Baby Signs haben keinen Einfluss auf die gesprochene Sprache

Oftmals wird behauptet, dass der Erwerb von Babyzeichen Babys dabei helfen würde, die Lautsprache besser und schneller zu beherrschen. Dieser Zusammenhang konnte nicht beobachtet werden und ist damit nicht haltbar. Insgesamt kann gesagt werden, dass diejenigen Kinder später über einen größeren Sprachwortschatz verfügen, die mehr Sprache ausgesetzt sind, als andere Kinder.

Kaum Erleichterung des Alltags beobachtet

Insgesamt muss gesagt werden, dass die Studienlage bei dem Thema Baby Sign Language nicht ausreichend ist, um die Auswirkungen aus das Kind und die Beziehungen zu den Bezugspersonen optimal erforschen zu können. Allerdings wurde beobachtet, dass Eltern, die für Baby Sign Language Kurse besuchten, unter mehr Stress litten, als andere Eltern. Gleichzeitig muss hier bemerkt werden, dass ein großer Unterschied bei Familien mit Baby Sign Language besteht: dadurch, dass bei sehr wenigen der Anspruch besteht, das Kind bilingual (Gebärdensprache und Lautsprache) zu erziehen, unterscheidet sich die Anzahl an gebärdeten Worten je nach Familie.

Sollte ich meinem Kind Baby Signs beibringen?

Die Entscheidung, ob Baby Signs für die Kommunikation mit dem Kind genutzt werden sollten, obliegt selbstverständlich jeder Familie. Um hier die eigenen Gedanken etwas zu sortieren, haben wir dennoch einige Punkte notiert, über die man nachdenken kann:

  • Grund: Was ist der Grund für die Verwendung von Baby Signs? Kann dieser mit dem Erlernen von Gebärden erfüllt werden?
  • Zeitaufwand: Bevor man einem Baby Gebärden beibringen kann, muss man diese selbst erlernen. Wie viel Zeit hat man dazu zur Verfügung?
  • Konsistenz: Um einem Baby etwas beizubringen, ist es notwendig, konsistent zu sein. Milch sollte somit nicht nur gesprochen, sondern auch gebärdet werden. Kann man dies über Monate aufrecht halten?
  • Lerndauer: Die ersten Gebärden werden durch die motorische Entwicklung „erst“ zwischen dem 8 und 10 Monaten beobachtet. Gesprochene Wörter folgen bald darauf. Entspricht dies der Erwartung an Baby Signs?
  • Zweisprachigkeit: Zweisprachigkeit hat immense Vorteile für die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern. Baby Signs sind allerdings keine eigene Sprache und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen für diese positiven Resultate. Dafür müsste man eine Gebärdensprache erlernen. Ist dies machbar für die Familie?

Sonderform: Das Baby ist gehörlos oder schwerhörig

Das Neugeborenen-Hörscreening wird als Krankenkassenleistung in der Regel in den ersten 2 bis 4 Tagen nach der Geburt durchgeführt. Hier wird getestet, ob die Ohren theoretisch in der Lage wären, zu hören. Eine tatsächliche Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit wird nur bei einem minimalen Teil der Kinder (1 von 1.000 in den meisten Industrienationen) festgestellt. Zusätzlich dazu kann auch im Laufe des Lebens Gehörlosigkeit oder Schwerhörigkeit auftreten.

Für viele hörende Eltern kann diese Diagnose zuallererst schockierend sein, allerdings ist es hier wichtig, die Entwicklung des Kindes ins Zentrum zu stellen. Um ihr volles Potential entfalten zu können, ist es für alle Kinder notwendig, eine Sprache zu perfektionieren. Diese kann entweder gesprochen oder gebärdet werden.

In diesem Artikel kann nicht auf die komplette Debatte eingegangen werden, aber in Kurzform ist es sinnvoll, dass hörende Eltern und Familienmitglieder von gehörlosen oder schwerhörigen Kindern selbst professionellen Unterricht in Gebärdensprache nehmen, um ihrem Kind Spracherwerb zu ermöglichen, es in eine gehörlosen und schwerhörigen Gemeinschaft integrieren und später mit dem Kind kommunizieren zu können. Sich als hörende Eltern nur auf Lautsprache zu fokussieren, ist nicht empfohlen.

Aber auch Babys und Kinder, die Schwierigkeiten mit der oralen Kommunikation haben, profitieren stark vom Erlernen einer Gebärdensprache. Hierunter fallen Kinder mit Autismus oder Entwicklungsverzögerungen.

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